Praktikumsbericht von Nicola Petersmeier, Studentin im Studiengang Physiotherapie DUAL, über ihr mit PROMOS-Mitteln gefördertes Praktikum am Kantonsspital Baden in der Schweiz, wo sie unter anderem auch auf der COVID-Station eingesetzt wurde.
Mein Praktikum im Kantonspital Baden - Eine etwas andere Erfahrung inZeiten einer Pandemie
Ich beginne meinen Erfahrungsbericht mit einer kurzen Schilderung meiner Situation vor dem Aufenthalt in der Schweiz. Nach drei Jahren Physiotherapieausbildung und mit frischem Staatsexamen in der Tasche wollen die meisten zunächst einmal durchatmen. Für mich hieß es dagegen: kurzfristig ausziehen und schnellstmöglich mein gesamtes Gepäck für mein dreimonatiges Praktikum in der Schweiz vorbereiten.
Gar nicht so einfach, denn was packt man ein, wenn man in ein Land fährt, in dem man erstens noch nie gewesen ist, und wo zweitens die Berge und somit der Outdoor Sport das Thema Nr. 1 sind und in dem man drittens als Repräsentantin der hochschule21 eine gewisse Verantwortung hat, einen guten Eindruck auf das dortige Team zu machen. Auch war ich neugierig auf die Schweizer, ihre Kultur und vor allem auf meinen ersten richtigen Arbeitsalltag. In der Schweiz gilt man übrigens erst mit einem Bachelorabschluss als vollwertiger Therapeut, bzw. Therapeutin. Deshalb war ich, wie zu dem Zeitpunkt neun weitere Praktikanten aus verschiedenen Universitäten der Schweiz, noch ein sogenannter „Studi“, der eine persönliche Betreuerin hatte und zusätzlich viele weitere Aufgaben bekam um den Lernprozess voranzutreiben, aber dazu später mehr.
Doch nun zu einer kurzen Beschreibung des Kantonspital Baden (kurz KSB), mein Arbeitgeber für drei Monate. Baden liegt im Kanton Aargau welches südlich an Baden- Württemberg grenzt, einer von 26 Kantonen. Das Städtchen Baden, inklusive des Vororts Dättwill, dem Standort des Spitals, liegt circa 21 km nordwestlich von Zürich und hat knapp 20.000 Einwohner. Baden ist eine Kulturstadt, deren Geschichte mit den von den Römern im 1. Jahrhundert genutzten Thermalquellen verwurzelt ist. Dies ist auch an der Architektur und dem Ambiente dieser wunderschönen Stadt deutlich erkennbar.
Das Kantonspital Baden wurde am 1.9.1978 in Betrieb genommen und löste somit das veraltete Stadtspital in Baden ab. Es hat ein Einzugsgebiet von circa 320.000 Einwohnern und zählt somit zu den größten Spitälern im Kanton. Letztendlich ist das Spital ein riesiger 13. Stockwerke hoher Bau aus Beton mit Platz für 372 Betten. Rund 2300 Mitarbeitende sind hier tätig. Zur Zeit wird mit Hochdruck an einem Neubau, dem sogenannten Projekt „Agnes“ gearbeitet, welches das Hauptgebäude des Spitals ab 2022 ersetzen und Platz für neue innovative Patientenbetreuung bieten soll. Ein
„Sidefact“ am Rande: Witzig finde ich, dass das neue Spital von denselben Architekten entworfen wurde wie auch mein „Heimatkrankenhaus“, das Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf.
Wie war nun mein Praktikum im KSB? Wie waren die Patienten? Welchen Lerneffekt konnte ich erzielen und welche Erfahrungen habe ich gesammelt? Und vor allem, ist es wirklich so schwer das Schweizer Deutsch zu verstehen? Ich beginne mal mit der letzten Frage, indem ich von meiner Ankunft und meinem ersten Arbeitstag erzähle. Untergebracht war ich im Personalwohnheim, das direkt gegenüber vom Spital liegt. Eine kleine Ein-Zimmerwohnung mit Küchenzeile und eigenem Bad war also mein neues „Zuhause“ für die nächste Zeit.
An meinem ersten Arbeitstag sollte ich mich bei der Abteilung für Physiotherapie einfinden, welche zum Glück sehr leicht zu finden war. Abgeholt wurden wir, denn zwei weitere Praktikanten haben mit mir zur selben Zeit angefangen, von einem Mitglied des Leitungsteams der Physiotherapie. Sehr geduldig wurde auf „Schweizer Hochdeutsch“ erklärt, wie unsere künftigen Tagesabläufe aussehen würden und was generell auf uns zukommen würde.
„Schweizer Hochdeutsch“ ist übrigens eine Form von Hochdeutsch mit starkem Schweizer Dialekt, die ich als Norddeutsche zunächst recht schwer, aber dennoch deutlich besser als das Original Schweizer Deutsch verstehen konnte. Beispielsweise spricht man dort von der „Buchlogi“, wenn die „Bauchlage“ gemeint ist! Nach einem ausführlichen Rundgang durch das gesamte Spital und etwas überwältigt von den zahlreichen Informationen und auch dem Schweizer Deutsch, startete ich in den ersten Tag und somit in mein dreimonatiges Abenteuer.
Zum „Berufsalltag“ gehörten unter anderem die Supervisionszeit mit unserem individuellen Betreuer/Mentor, Vorbehandlungen und die wöchentliche Abgabe eines Clinical Reasoning Prozesses, der die Krankheitsgeschichte eines selbst ausgewählten Patienten zusammenfasst, reflektiert und physiotherapeutisch beurteilt. Des Weiteren die wöchentlichen Peer Learnings, welche sich nach einem jeweils neu gewählten Thema richteten und in welchen alle Studierenden zusammenkamen um gemeinsam den gestellten Fragebogen zu beantworten und diesen dann später im Verlauf der Woche gemeinsam unter Supervision vorzustellen.
Zugeordnet war ich dem „Team Inter“, welches alle stationären internistischen Patienten umfasst. Speziell gehörte ich dem Team an, welches sich mit Allgemeinchirurgie, Lungenerkrankungen wie COPD oder untypischen Pneumonien, Gefäßerkrankungen, Herzinsuffizienzen, als auch vielen weiteren Internistischen Krankheitsbildern befasste. Ein ziemlich breites Spektrum also, und einmal mehr war ich froh, dass ich gerade das Staatsexamen bewältigt hatte und somit mein Wissensspeicher bis oben hin mit Infos über die Erkrankungen gefüllt war. So konnte ich schnell in den Alltag einsteigen und trotz sprachlicher Barriere, die sich aber stetig verringerte, in der ersten Woche schon eigene Patienten behandeln und übernehmen.
Ebenfalls muss unbedingt erwähnt werden, wie unglaublich toll und hilfsbereit das gesamte Team des KSB war. Nicht nur die Therapeuten aus den verschiedenen Teams halfen sich untereinander wirklich unfassbar gut, sondern auch die Kommunikation mit „der Pflege“ gestaltete sich sehr entspannt und einfach. Hatte man also Fragen oder wusste einmal nicht weiter oder wollte sich einfach eine andere Meinung einholen, war IMMER also wirklich IMMER jemand vom Physio-Team bereit zu helfen und zu Unterstützen. Hut ab!
Und so verwundert es nicht, dass im Spital generell eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre herrschte, die den Arbeitstag einfach schöner machte. Schon nach ein paar Wochen war ich Teil des Teams, weil alle „Kollegen“ mich wunderbar integrierten und wir uns auch mittags immer trafen um über alles Mögliche zu plaudern. Und so freundete ich mich sehr schnell mit den anderen Studenten an, sodass wir auch am Wochenende außerhalb der Arbeit, sofern es natürlich durch Covid möglich war, gemeinsam viele schöne Aktivitäten unternahmen. Denn es geht im September, solange das Wetter noch schön ist und kein Schnee auf den Gipfeln liegt, nichts über einsame Wanderungen hoch in den Schweizer Alpen mit Aussichten, die einem schlichtweg den Atem rauben.
Mit der Zeit und vielen schönen Erlebnissen kam jedoch der Punkt, an dem sich Covid-19 leider in den Alltag aller drängte, sodass es im Verlauf zu einigen Anpassungen kam. Alle die sich bereit erklärten, wurden in Atemtherapeutischen Maßnahmen und der Isolationskleidung geschult damit jeder, der Kapazität hatte auf der Covid Station, sei es mit den mäßig schwer betroffenen Patienten auf dem 12. Stock oder wie ich als Unterstützung meiner Mentorin auf der Intensivstation, eingesetzt werden konnte. Das, was ich hier erlebte, ließ die ganze Situation um ein vielfaches realer und gefährlicher wirken als ohnehin schon in den Medien publiziert. Und einmal mehr fragte ich mich warum sich viele Menschen weiterhin so unvorsichtig verhalten. Denn die Situation im Spital spitze sich mit voller Auslastung der Intensivbetten und einem überfüllten 12. Stock weiter zu, sodass der Umgang mit dieser Erkrankung zur immer größeren Herausforderung für uns alle wurde. Und das nicht nur für die Pflege und die Ärzte, sondern auch für die Physios, welche auch eine wichtige Rolle im Krankheitsverlauf spielten. Denn das „Durchbewegen“ und das richtige Positionieren der sedierten, teils intubierten Patienten auf der „Intensiv“ gehörte genauso zur Therapie wie die Körperpflege. Deswegen gilt mein größter Respekt allen Mitarbeitenden des KSBs, die sich jeden Tag aufs Neue trotz enormer Belastungen sehr für ihre Patienten einsetzen. Ich bin extrem dankbar, dass ich in einer solchen Zeit diese Herausforderungen kennen lernen und auch positive Erfahrungen sammeln durfte.
Nun zurück zu meinen Erlebnissen und dem Vergleich meiner Erfahrungen in einem Deutschen Krankenhaus und dem KSB in der Schweiz.
Hinsichtlich des Tages- und des Therapieablaufes im Allgemeinen fanden sich relativ wenige Unterschiede, da im Bereich der Internistischen Medizin, beziehungsweise der Allgemeinchirurgie die Mobilisation der Patienten höchste Relevanz hat. Denn die primären Ziele einer Behandlung mit meist durch Operationen oder einen längeren Immobilisationszustand geschwächten Patienten, waren eine Verlangsamung der Dekonditionierung, die Kreislaufanregung, die Thromboseprophylaxe, die Lungenentzündungsprophylaxe und auch die Sekretmobilisation im Rahmen der Atemtherapie. Natürlich variierten diese Ziele individuell je nach Patient und Krankheitsbild.
Im Kantonsspital Baden basierte all dies auf evidenzbasierten und regelmäßig aktualisierten Leitlinien für verschiedene Operationen und Erkrankungen, wie beispielsweise auch COVID, die beim KSB im „Informer“, der Online Plattform für alle Mitarbeitenden, frei zugänglich sind. In Deutschland habe ich dies ähnlich erlebt, wobei dennoch erwähnenswert ist, dass im KSB sehr viel Wert auf die Nutzung der Onlineplattform und all ihrer Vorteile gelegt wurde.
Nun aber zu den größten Unterschieden. Persönlich finde ich, dass die Schweiz etwas evidenzbasierter beziehungsweise Parameter basierter arbeitet und dies nicht nur, weil alle dort arbeitenden Therapeuten einen Bachelorabschluss vorweisen mussten. Beispielsweise haben die Therapeuten des „Team Inter“ alle ein persönliches Pulsoxymeter, welches den SpO2 Wert, also die Sauerstoffsättigung, in Prozent im Blut und den Puls misst, sowie ein Stethoskop um durch Auskultationen den Schleim im richtigen Lungenareal lokalisieren zu können. Diese Messungen gehören standardmäßig zu jedem Befund, um die Behandlung dementsprechend aufbauen zu können und um beispielsweise die richtige Belastungsstufe zu finden oder die angemessene atemtherapeutische Maßnahme durchzuführen.
Dies sehe ich in den Kranhäusern in Deutschland, bei denen ich meine bisherigen Praktika absolviert habe, nicht so umgesetzt. Alles in allem ist dies jedoch ein persönlicher dreimonatiger und damit kurzer Einblick, der sich zudem nur auf eine Institution, nämlich das Kantonspital bezieht und nicht auf die Schweiz im Allgemeinen, weswegen mir eine allgemeingültige Antwort auf diese Frage nicht möglich ist.
Zum Abschluss meines Berichtes richte ich ein großes „Dankeschön“ einerseits an die hochschule21 für die Möglichkeit ein Auslandssemester so gut unterstützt durchführen zu dürfen. Andererseits an Frau Schuback die mir als Koordinatorin des International Office einem immer mit Rat und Tat zur Seite stand. Mein großer Dank gilt natürlich auch dem Team des KSB. Ich habe mich so unheimlich wohl gefühlt und werde mich nach meinem Abschluss im „Kantonspital Baden“ bewerben. Ich denke dies sagt viel darüber aus wieviel mir die Zeit in der Schweiz gegeben hat.
Ich rate also allen Studidrenden der hochschule 21, die meinen Bericht lesen: „Bewerbt euch für ein Auslandssemester!“ Ich hoffe, mein Bericht macht euch Lust auf diese Erfahrung. Und wie man in der Schweiz so schön sagt:
Merci und Adé miteinander!