Großer Erfolg: Auftaktveranstaltung der Reihe „Gesundheit im Dialog – Elbe-Weser-Dreieck“

Die zwei Professorinnen mit den beiden Pflegeexpertinnen
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Teilnehmende vor Informationstafeln
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Teilnehmer im Dialog mit Pflegeexpertin
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Wie kann die Gesundheitsversorgung in der Region gesichert werden? Dieser Frage gingen rund 60 Teilnehmende aus dem Gesundheitswesen bei der Auftaktveranstaltung der Reihe „Gesundheit im Dialog – Elbe-Weser-Dreieck“ an der hochschule 21 nach. Organisiert und moderiert wurde der Tag von Prof.in Dr. med. Barbara Zimmermann, Leiterin des Fachbereichs Gesundheit und Vizepräsidentin der hochschule 21, und Prof.in Dr. rer. biol. hum. Lydia Neubert, stellvertretende Leiterin des Studiengangs Pflege DUAL. Als Expertinnen waren Inke Zastrow und Birgit Pätzmann-Sietas eingeladen.

Foto 1: Freuen sich über den Erfolg der Auftaktveranstaltung: von links Prof.in Dr. med. Barbara Zimmermann, Birgit Pätzmann-Sietas, Inke Zastrow und Prof.in Dr. rer. biol. hum. Lydia Neubert

Foto 2 und 3: Die Pausen boten Zeit, sich zu informieren und in den Dialog zu kommen

„Die Gesundheit in der Region zu stärken, ist notwendiger denn je, und daher braucht es diesen Dialog und den lösungsorientierten Austausch. Ich freue mich, dass wir bereits zur Auftaktveranstaltung so viele interessierte Gäste bei uns begrüßen konnten“, so Barbara Zimmermann. Das zeige, so die Medizinerin, wie sehr das Thema die Menschen umtreibt.

Das Kompetenzmodell im UKE

In ihrem Impulsvortrag beleuchtete Pflegeexpertin Inke Zastrow neue Tätigkeitsfelder in der direkten Patient:innenenversorgung am Beispiel des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Der Qualifikationsmix sowie das Management der Station und damit auch die Rolle der Stationsleitung habe sich verändert. Um die unterschiedlichen Kompetenzen abzubilden, existiert am UKE ein Kompetenzmodell. Es bietet Transparenz und hilft bei der Pflegefachentwicklung, Attraktivitätssteigerung, Fachkräftesicherung, Integration wissenschaftlicher Kompetenz, Professionalisierung, Qualitätssicherung bei steigender Komplexität und bei der an Patient:innenbedürfnisse angepassten Versorgung.

Expertenwissen durch akademische Abschlüsse

Rückblick: Die Akademisierung in der Pflege begann 1990, rund 20 Jahre später empfahl der Wissenschaftsrat eine Akademisierungsquote von 10 bis 20 Prozent in der direkten Patient:innenversorgung. Im vergangenen Jahr lag die Quote im UKE bei 7,9 Prozent. Hierbei bringen sich die ERAS Nurses (Enhanced Recovery After Surgery) mit Bachelorabschluss und die Advanced Practice Nurses (APN) mit Masterabschluss ein. Besonders letztere verfüge über Expertenwissen und erweiterte pflegerische Kompetenzen. Von ihnen sind derzeit 15 am UKE tätig.

Abschließend warf Zastrow einen Blick in die Zukunft: Kompetenzen sollten in der pflegerischen Versorgung besser genutzt werden. Die Kliniken sollten offen für neue Rollenprofile sein und attraktive Arbeitsplätze schaffen. „Seien Sie mutig, denn es wird Widerstände geben. Es ist ein Veränderungsprozess.“ Dieser funktioniere aber besonders mit Hinblick auf den derzeitigen Generationenwechsel bei den Stationsleitungen gut, fügte sie hinzu.

Fachkräftemangel wird sich verschärfen

Die gesetzgeberische Entwicklung der Pflege und ihre Auswirkungen, die auf die Pflegeberufe und die Versorgung zukommen, fasste Birgit Pätzmann-Sietas, Präsidiumsmitglied des Deutschen Pflegerates, in ihrem Beitrag zusammen. Einführend machte Pätzmann-Sietas klar, dass die Metropolregion anders aufgestellt sei als Hamburg. Dennoch sei der Fachkräftemangel bereits seit 10 bis 15 Jahren überall Thema. Die Umsetzung aber sei zu langsam und schleppend, andere europäische Länder seien da besser. Laut statistischem Bundesamt wird die Zahl der fehlenden Pflegekräfte von 1,62 Millionen im Jahr 2019 auf 2,15 Millionen bis zum Jahr 2049 steigen. Auch in ärztlichen und weiteren Gesundheitsberufen gebe es Personalmangel, nicht zuletzt da die Babyboomer in Rente gehen. „Das kann je nach Standort bis zu 300 Personen auf einmal ausmachen“, so Pätzmann-Sietas.

Sie nannte als große Veränderung die geplante Krankenhausreform, dessen Ziel u.a. die Entökonomisierung, Sicherung der Behandlungsqualität und Entbürokratisierung sei. Viele Kliniken würden in diesem Zuge zu Level 1i-Krankenhäusern umstrukturiert werden. Auch eine stärkere Ambulantisierung und Digitalisierung des Gesundheitswesens sei geplant. Allerdings würden dafür mindestens 50 Milliarden Euro benötigt. „Es werden sich nicht alle Kliniken am Markt halten können“, so Pätzmann-Sietas. Welche das sein werden, sei aber noch nicht klar. Wichtig sei es, bei der Umstrukturierung niemanden zu verlieren. Zudem merkte die Expertin an, dass ausländische Pflegefachkräfte nicht die Gesamtlösung des Problems seien. „Von dem Gedanken müssen wir uns verabschieden.“ Wie auch ihre Vorrednerin betonte Pätzmann-Sietas die Wichtigkeit von APNs. Im Rahmen des Pflegekompetenzgesetzes könnten Verordnungen für Leistungen der häuslichen Krankenpflege, die bisher nur von Ärzt:innen ausgestellt werden dürfen, von Pflegefachpersonen eigenverantwortlich übernommen werden.

Ein attraktiver und verantwortungsvoller Beruf

In einer anschließenden Podiumsdiskussion traten die Expertinnen mit den Teilnehmenden in den Dialog. Hier machte Pätzmann-Sietas noch einmal deutlich, dass der Bevölkerung noch nicht klar sei, welche Auswirkungen die Umstrukturierung der Kliniken in Level 1i-Krankenhäuser bedeute. Zudem sollte die Definition der Pflege überdacht werden. Derzeit werde vor allem seitens der Politik vermittelt, dass das größte Pflegeunternehmen die Familie sei. „Pflege ist nicht nur das.“ Zastrow ergänzte: „Pflege muss auch positiv dargestellt werden. Was ist gut, was können wir? Es ist ein attraktiver und verantwortungsvoller Beruf.“ Zudem müssen die Bildungswege bekannter gemacht werden. Denn ein akademischer Abschluss sei auch für diejenigen erreichbar, die von „unten“ starten.

Dass die Digitalisierung und KI wichtig für das Gesundheitswesen seien, stellten die Expertinnen ebenfalls klar. Es sei eine Erleichterung für alle Seiten und spare dazu Geld, wenn Menschen beispielsweise gut ambulant behandelt werden könnten und nicht ins Heim müssten. Auch die Menschlichkeit gehe durch digitale Angebote nicht verloren, sondern sie bieten mehr Zeit für Menschlichkeit.

Am Wandel mitwirken

Wer am Wandel mitwirken möchte, solle sich an die Kommunalpolitik wenden. Zudem müssen die Pflegenden selbst politisch werden. Bei diesem Thema wurde die Pflegekammer, die in Niedersachsen zum Bedauern der Teilnehmenden abgeschafft wurde, angesprochen. Sie sei eine Interessenvertretung, die zwar etwas koste, aber auch viel bringe, so Pätzmann-Sietas. So erhoffen sich sowohl Expertinnen als auch Teilnehmende, dass sie doch wieder Niedersachsen umgesetzt werde und so als Sprachrohr der Berufe fungieren könne.

Professorin Neubert resümiert: „Die Teilnehmenden, die zum großen Teil aus Kliniken und Pflegeeinrichtungen sowie aus den Fach- und Berufsbildenden Schulen der Region kamen, zeigten nicht nur Interesse, sondern äußerten auch konkrete Ideen zur künftigen Gestaltung der Versorgung pflegebedürftiger Menschen in der Region. Ein Beispiel sind Community Health Nurses. Diese sind – wie APN in Krankenhäusern und Pflegeheimen – Fachexpert:innen mit erweiterten Pflegekompetenzen in der häuslichen Pflege und können dazu beitragen, Versorgungsbrüche oder Krankenhauseinweisungen älterer Menschen zu vermeiden. Ich freue mich, diese Aufbruchsstimmung direkt an Auszubildende und Studierende der Pflege weiterzugeben.“

Weitere Termine für die Veranstaltung „Gesundheit im Dialog – Elbe-Weser-Dreieck“:

  • Donnerstag, 06.06.24, Hörsaal des Elbe-Klinikums Buxtehude, Am Krankenhaus 1, 21614 Buxtehude
  • Donnerstag, 26.09.24, DRK-Kreisverband Harburg-Land e.V., Benzstraße 18, 21423 Winsen (Luhe)

Informationen zu den Themen und der Uhrzeit geben wir auf unserer Homepage bekannt.